BGH Urteil 2025 stärkt Versicherungsvertreter: Auskunftsanspruch bei Stornohaftung und Umdeckung

BGH Urteil 2025 stärkt Versicherungsvertreter: Auskunftsanspruch bei Stornohaftung und Umdeckung

Am 24. Juli 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil VII ZR 176/24 eine wichtige Entscheidung zur Auskunftspflicht von Versicherungsunternehmen gegenüber ihren ehemaligen Vertretern gefällt. Das Urteil bringt mehr Rechtssicherheit für Handels- und Versicherungsvertreter – insbesondere in Fällen, in denen es um Stornohaftung und mögliche Umdeckung geht.

Für allgemeine Tipps zur außergerichtlichen Abwehr von Rückforderungen empfehlen wir ergänzend unseren aktuellen Beitrag „Provisionsrückforderungsansprüche abwehren“.

BGH VII ZR 176/24: Neues Urteil zur Auskunftspflicht und Provisionsrückforderung

Ein ehemaliger Versicherungsvertreter verlangte von seinem früheren Versicherer Auskunft darüber, welche von ihm vermittelten Verträge nach Beendigung seines Vertrages in der Stornohaftungszeit gekündigt oder beitragsreduziert wurden – und bei denen die Kunden anschließend Ersatz- oder Ergänzungsverträge über dasselbe Risiko bei Unternehmen der Versicherungsgruppe abgeschlossen hatten.

Hintergrund: Solche Neuabschlüsse können ein Hinweis auf unzulässige Umdeckungen sein, bei denen ein Vertreter trotz Vertragsstorno Anspruch auf Provision behält.

Das Landgericht München I hatte den Auskunftsanspruch zunächst abgewiesen. Das OLG München gab der Klage weitgehend statt. Der BGH bestätigt nun den Anspruch grundsätzlich, schränkte ihn aber auf Fälle ein, in denen tatsächlich Provisionsrückbelastungen oder -kürzungen zu Lasten des Vertreters vorgenommen wurden.

Was ist Stornohaftung und warum ist sie für Versicherungsvertreter so wichtig?

Unter Stornohaftung versteht man die Verpflichtung eines Versicherungsvertreters, Provisionen zurückzuzahlen, wenn ein von ihm vermittelter Vertrag vor Ablauf einer bestimmten Frist (Stornohaftungszeit) gekündigt oder in der Beitragszahlung reduziert wird.

Mehr dazu lesen Sie in unserem Grundlagenartikel „Provisionsrückforderungen – So wehren Sie sich erfolgreich dagegen“.

Umdeckung bei Versicherungen – Definition und rechtliche Relevanz

Eine Umdeckung liegt vor, wenn ein bestehender Versicherungsvertrag durch einen anderen – oft ähnlichen – Vertrag ersetzt wird, häufig bei derselben oder einer verbundenen Gesellschaft. Erfolgt diese Umdeckung auf Initiative des Versicherers oder eines anderen Vermittlers und zum Nachteil des ursprünglichen Vertreters, kann dies unzulässig sein und Provisionsanspruch unberührt lassen.

Kernaussagen des BGH-Urteils

Der BGH stellt klar:

  • Doppelter Auskunftsanspruch: Der Anspruch auf Auskunft nach § 87 c Abs. 3 HGB besteht neben dem Anspruch auf einen Buchauszug (§ 87 c Abs. 2 HGB), sofern es um unterschiedliche Informationen geht.
  • Einschränkung auf Fälle mit Provisionsrückbelastung: Auskunft gibt es nur zu Verträgen, bei denen Provisionsrückbelastungen oder -kürzungen erfolgt sind – unabhängig davon, ob diese berechtigt waren.
  • Schutz vor unzulässiger Umdeckung: Ersatz- oder Ergänzungsverträge über dasselbe Risiko können ein starkes Indiz für eine vom Versicherer zu vertretende Umdeckung sein.
  • Keine Pflicht zur Vorermittlung durch den Vertreter: Der Vertreter muss nicht selbst aufwendig ehemalige Kunden kontaktieren.

Taktische Vorgehenseise für Versicherungsvertreter

Die Geltendmachung dieses Auskunftsanspruches ist besonders sinnvoll, wenn der Versicherer bereits Provisionsrückzahlungen fordert.

  • Vorbeugende Wirkung: Die Forderung nach Auskunft kann den Versicherer unter Umständen davon abhalten, seine Rückforderungen gerichtlich geltend zu machen – insbesondere, wenn er befürchten muss, dass sich dabei Umdeckungen offenbaren.
  • Prozessstrategie: Kommt es dennoch zur Klage des Versicherers, sollte Widerklage auf Auskunft erhoben werden.
  • Hebelwirkung: Ergibt sich aus der Auskunft, dass die Rückforderung auf einer unzulässigen Umdeckung beruht, entfällt der Anspruch des Versicherers vollständig – er kann in diesem Fall nichts mehr verlangen.

Praktische Tipps und Handlungsempfehlungen

  1. Frühzeitig handeln – sobald Provisionsrückforderungen angekündigt oder geltend gemacht werden.
  2. Buchauszug einfordern – um vollständige Übersicht über die betroffenen Verträge zu erhalten.
  3. Auskunft gezielt beantragen – beschränkt auf Fälle mit Provisionsrückbelastung.
  4. Strategische Verteidigung planen – ggf. schon außergerichtlich mit anwaltlicher Unterstützung.
  5. Bei Klage sofort Widerklage erheben – um den Auskunftsanspruch prozessual zu sichern.

Fazit und Bedeutung in der Praxis

Mit diesem Urteil hat der BGH die Rechte von Versicherungsvertretern gestärkt und für mehr Transparenz bei Stornohaftung und Umdeckung gesorgt.

Durch die gezielte Geltendmachung von Auskunftsansprüchen können Vertreter nicht nur ihre Provisionsansprüche sichern, sondern auch unberechtigte Rückforderungen effektiv abwehren. Zusammen mit unseren Beiträgen „Provisionsrückforderungsansprüche abwehren“ und „Anspruch auf Buchauszug…“ entsteht ein umfassendes Themencluster für Vertreter, die ihre Rechte kennen und durchsetzen wollen.