Geld anlegen – Teil 5 (Aktien und Anleihen)

Aktien und Anleihen

Wer reich ist, darf spekulieren. Wer arm ist, muss spekulieren. So lautet eine alte Weisheit. Als mein Großvater 1960 starb, hinterließ er meiner Großmutter eine lächerliche Witwenrente und ein wenig Geld. Sie lebte noch 41 Jahre und starb mit 101. Für die Rentenversicherung war sie der absolute Totalschaden. Sie selbst besaß am Ende ihres Lebens erstaunliche 100.000 Euro. Verdient hat die Witwenrentnerin dieses Geld mit Aktien.

DAX

Der Deutsche Aktienindex DAX startete 1959 mit 362 Punkten. Er sank in diesem Jahr sogar auf 328 Punkte. 2015 erreichte er mit 12.374 Punkten seinen Höchststand. Das hört sich atemberaubend an. Wer rechnen kann, merkt schnell, dass es gar nicht so atemberaubend ist. Hätte man 1959 bescheidene 362 Euro angelegt, hätte eine Verzinsung von 6,51 % im Jahr bis Ende 201512.374 daraus gemacht. Als meine Großmutter 1960 mit Aktien anfing, stand der DAX bei 422, und als sie 2001 starb, bei 6.788 Punkten. In diesen Jahren war also der allgemeine Kursanstieg stärker als in der Zeit danach, nämlich im Durchschnitt 7,01 %. Mit mathematischem Scharfsinn lässt sich errechnen, wieviel Geld mein Großvater ihr als Startkapital hinterlassen haben musste: 6.217 Euro. Kursgewinne sind aber nicht das Einzige, was man an Aktien verdienen kann. Weil es sich um Anteilsscheine an Unternehmen handelt, gibt es gelegentlich auch noch einen Gewinnanteil, den man Dividende nennt. Die Höhe schwankt, je nachdem, wie die Geschäfte im Jahr zuvor gelaufen sind.

Starke Nerven, langer Atem

Risiko gibt es bei Aktien schon. Ihre Kurse schwanken, und wenn das Unternehmen in die Pleite geht, gibt es auch die Aktie nicht mehr. In den letzten 15 Jahren sind viele Aktien einfach vom Kurszettel verschwunden, nicht nur viele Start-Up-Unternehmen des Neuen Marktes, sondern auch traditionsreiche Unternehmen wie der Baukonzern Philipp Holzmann. Nerven braucht man ebenfalls, auch bei soliden Aktienwerten. Die Aktie des Autobauers Daimler lag im Jahr 2000 bei 65 Euro. Dann fiel sie auf etwa 40 Euro. Auf diesem Niveau verharrte sie bis vor etwa drei Jahren. Wer also im Jahr 2000 seine Aktien gekauft hatte, konnte 2012 erst wieder aufatmen. Nachteilig sind solche Kursentwicklungen für Menschen, die nicht so lang warten können, weil sie zwischendurch Geld brauchen. Wer unter solchen Zwängen verkaufen muss, erleidet ein Drittel seines Einsatzes als Verlust. Vor allem: Nicht jede Aktie entwickelt sich so wie der DAX. Dort sind nur die Aktien der größten deutschen Unternehmen abgebildet. An der Börse werden aber noch wesentlich mehr Aktien gehandelt, und zwar von Unternehmen verschiedenster Branchen und Größen. Nehmen wir zum Beispiel den Hersteller hervorragender Herrenanzüge Hugo Boss. Vor 30 Jahren gingen seine Aktien für 40 Euro an die Börse. Dieser Kurs war erst 2007 wieder erreicht. Anschließend pendelte er zwischen 80 und 120 Euro. Lange Zeit lag er allerdings auch bei 20 Euro. Wenn ein Aktionär der ersten Stunde (wie ich) am höchsten Punkt verkauft hat, betrug seine Kursrendite in etwa 27 Jahren immerhin 4,15 %. Staatsanleihen liefen leicht besser. Zum Trost gab es Dividende.

Magische Zahl KGV

Eine Aktie taugt nicht zu jeder Zeit gleich viel. Das gilt auch für große Namen. Ausschlaggebend ist der Gewinn des Unternehmens. Ob der Kurs gerade günstig ist, hängt vom Kurs-Gewinn-Verhältnis ab (KGV). Liegt diese Verhältniszahl unter 10, scheint die Aktie ein Schnäppchen zu sein. Bei 12 ist sie angemessen bewertet. Über 15 gilt sie als überzogen teuer. Allerdings ist in diesem Metier nichts verlässlich, auch nicht das KGV.

Der Baukonzern Dywidag oder die Bankgesellschaft Berlin waren unter dem Aspekt des KGV etwa im Jahr 2000 große Stars. Kurze Zeit später ging bei ihnen das Licht aus. Heute kennt sie keiner mehr. Bei der Bankgesellschaft Berlin war wegen Schrittimmobilien plötzlich erheblicher Wertberichtigungsbedarf in der Bilanz entdeckt worden, und Dywidag fusionierte mit der angeschlagenen Walter-Bau AG. Über solche Entwicklungen kann das KGV natürlich nichts aussagen. Dazu muss man sich in der jeweiligen Branche sehr genau auskennen. Privatanleger überfordert dies natürlich.

Chartanalyse und Tarot

Börsenhändler bauen ihre Kursprognosen auf sogenannten Chartanalysen auf, indem sie die Fieberkurve der Kurse auf Regelmäßigkeiten hin untersuchen. Das sieht sehr wissenschaftlich aus. Der Händler einer großen amerikanischen Geschäftsbank verriet uns allerdings einmal beim Mittagessen, dass dies nur dazu da sei, um Kunden zu beeindrucken. Er und seine Kollegen würden sich ihre wirklichen Prognosen in der Vorstadt von einer Dame erstellen lassen, die sich auf die Kunst des Kartenlegens verstand. Sie könnte sogar den Dollarkurs auf fünf Stellen hinter dem Komma genau vorhersagen. Die Dame konnte es übrigens wirklich. Bis dahin hatten wir uns nicht vorstellen können, wie viele elegante Geschäftsleute in eine Einraumwohnung einer Betonplatte hineinpassen.

Alternative: Aktienfonds

Man sieht: Ein wenig Zauber und nicht wenig Hysterie und Panik gehören bei Aktiengeschäften dazu. Wer solches nicht mag, aber trotzdem in Aktien anlegen möchte, ist mit Aktienfonds gut bedient. Dies sind große, von Banken verwaltete Gemeinschaftsvermögen, an denen man Anteile kaufen kann, die man Investmentfonds nennt. Die Banken lassen sich ihre Tätigkeit gut bezahlen, indem sie am Anfang für die Anteile einen Aufschlag von meist 5 % kassieren, und von den laufenden Erträgen behalten sie Jahr für Jahr ebenfalls noch eine kleine Verwaltungsgebühr ein. Privatanleger sichern sich mit diesem Entgelt aber den Vorteil, dass dort Menschen am Werk sind, die von Markt und Branchen mehr verstehen als sie selbst, und die Fondsmanager sind gerade durch diese Aufschläge hervorragend motiviert, für möglichst hohe Kurswerte der Anteile zu sorgen. Es gibt unzählige Investmentfonds und noch mehr Internetseiten, auf denen sie miteinander verglichen werden. Ein Begriff taucht dort auf, der wichtig ist:

Volatilität

Er stammt aus der Finanzmathematik und kennzeichnet Stärke und Häufigkeit der Abweichungen von den allgemeinen Marktverhältnissen. Die Volatilität ist ein Indiz für Risiko. Je niedriger die in Zahlen ausgedrückte Volatilität, desto weniger riskant ist der Aktienfonds, kann man formelmäßig sagen. Nur: Wenn beim Roulette achtundzwanzig Mal Rot kam, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schwarz kommen wird, zwar relativ hoch, aber nicht absolut. Ein Risiko bleibt auch hier immer.

Anleihen

sind das Gegenstück zu Aktien. Man leiht (meist) dem Staat Geld für einige Jahre und bekommt dafür einen festen Zinssatz. Nach Ablauf der Zeit gibt es den Einsatz zurück. Gegenüber Aktien gelten sie als sicherer, weil im Gegensatz zu Unternehmen ein Staat nicht Pleite gehen kann (wenn er nicht gerade Griechenland, Argentinien, Mexiko oder Brasilien heißt) und die Kurse nicht so stark schwanken. Schwankungen unterliegen sie trotzdem. Wenn man Anleihen kauft, sollte man deshalb damit rechnen dürfen, dass man das Geld während der Laufzeit nicht braucht.

Aktien oder Anleihen?

Mit Aktien würde Vermögensbildung schneller vorangehen, sagt man. Das stimmt nicht. Zwischen 1955 und 2005 lagen allerdings die Zinsen deutscher Staatsanleihen im Mittelwert ebenfalls bei 7 %. Zurzeit sehen die Renditen von Anleihen auf den ersten Blick gewiss enttäuschend schlecht aus (0,13 %). Allerdings ist dies immer noch besser als negative Zinsen, wenn das Geld einfach auf dem Konto bleibt, zumal die Inflationsrate im Januar 2016 exakt 0 % betrug. Sollten die Zinsen wie momentan in den USA wieder steigen, werden auch Anleihen wieder attraktiv.

Rechtsanwalt Uwe Th. Haug, LL.M.

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