Provokation einer Straftat durch Polizeibeamte und V-Leute
Provokation einer Straftat? Die Polizei verdächtigte den Gastronomen G, er handele mit Drogen. Sie setzte den Beamten V als verdeckten Ermittler auf G an, der schon bald zu den Stammgästen in G’s Gaststätte zählte. Eines Tages nahm V den G zur Seite und erzählte ihm die von ihm selbst ausgedachte Geschichte, er sei selbst Drogenhändler. Leider sei gerade seine Bezugsquelle versiegt, sodass er seine Abnehmer in Südosteuropa nicht beliefern könnte. Er bat G um Vermittlung eines neuen Kontakts. G wehrte ab, Drogen hätten vielleicht zu seinen Jugendsünden gehört, aber seit vielen Jahren hätte er nichts mehr damit zu tun. V drängte bald darauf erneut. Die Abnehmer hätten ihm mittlerweile gedroht, ihn umzubringen, wenn er seine Lieferzusagen nicht einhalten könnte. V flehte G an, endlich einen Kontakt herzustellen, um sein Leben zu retten. G hielt V für ernsthaft mit dem Tod bedroht und entschloss sich, V zu helfen. Er stellte einen Kontakt zu einem niederländischen Dealer her, den er von früher noch kannte.
Bei der Geschäftsanbahnung schlug die Polizei zu und verhaftete G sowie den Drogenhändler, zu dem G für V den Kontakt hergestellt hatte. Das Landgericht verurteilte G wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Strafmildernd hob es in den Urteilsgründen hervor, dass ein verdeckter Ermittler die Tat des G mit einer erfundenen Geschichte provoziert hätte. Auf die Revision des G hin hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil auf und stellte das Verfahren ein.
Provokation einer Straftat durch Polizeibeamte und V-Leute
Der BGH meinte im Ergebnis, dass ein als verdeckter Ermittler eingesetzter staatlicher Beamter eine nicht tatgeneigte Person nicht zur Begehung einer Straftat verleiten dürfe. Schließlich sei es Aufgabe der Polizei, Straftaten zu verhindern, aber nicht, die Begehung von Straftaten zu provozieren. Außerdem gebiete Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass alle als Ergebnis einer polizeilichen Tatprovokation gewonnenen Beweismittel vom Schuldnachweis ausgeschlossen werden müssten.
Der Leitsatz für das Urteil des BGH vom 10.06.2015 (Aktenzeichen 2 StR 97/14) lautet:
Die rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden oder von ihnen gelenkte Dritte hat regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge.
Damit dürfte dies auch für sogenannte V- (Vertrauens-) Leute der Polizei gelten, also für Menschen, die keine Polizeibeamten sind, aber sich bereit erklärt haben, die Polizei über Vorgänge aus ihrem Umfeld zu informieren. Immerhin werden auch V-Leute von der Polizei als Strafverfolgungsbehörde gelenkt. Offen bleibt, ob dies auch für Provokationen durch V-Leute der Verfassungsschutzbehörden oder des Bundesnachrichtendienstes gilt. Schließlich sind dies gleichfalls staatliche Behörden, die V-Leute lenken.
Der Leitsatz stellt erstaunlicherweise nur auf Strafverfolgungsbehörden ab, und dies sind Nachrichtendienste ausdrücklich nicht. Allerdings darf für solche V-Leute nichts anderes gelten, wenn sie Straftaten provozieren, denn der Staat darf die von ihm vorgegebene Ordnung nie selbst unterlaufen.
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