Drittes Gesetz zum Schutz Bevölkerung bei epidemischer Lage – Bestand vor Bundesverfassungsgericht?

Im Internet macht gerade der „Entwurf Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ die Runde. Wer den Text lesen möchte, braucht nur bei Google „Bundestagsdrucksache 19/23944“ einzugeben.

Als kleine Lesehilfe für Eilige und Nichtjuristen: Der Lesestoff besteht aus insgesamt 38 Seiten. Der eigentliche Gesetzestext beginnt auf Seite 5. Die Begründung des Entwurfs beginnt auf Seite 18.

Wer seinen Pulsschlag rasch nach oben bringen möchte, ohne lange lesen zu müssen, findet als Muntermacher auf Seite 10 den neuen Paragraphen 28a, den dieses „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung“ in das Infektionsschutzgesetz hineinschieben soll.

Paragraph 28a im Entwurf „Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“

In seinem Absatz 1 wird aufgezählt, was „im Rahmen der Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ angeordnet und vor allem untersagt werden darf.

Es lässt sich auf eine kurze Formel bringen: Alles, was das menschliche Leben ausmacht, einfach alles.

Die Voraussetzungen für Paragraph 28a

Die Voraussetzungen regelt Absatz 2:

  • Wenn innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner festgestellt werden, sind „schwerwiegende Schutzmaßnahmen“ angesagt.
  • Aber schon 35 Neuinfektionen im gleichen Zeitraum reichen, um flugs „stark einschränkende Maßnahmen“ zu verhängen.

Worin der Unterschied zwischen „schwerwiegenden“ und „stark einschränkenden“ Maßnahmen liegt, bleibt offen.

Ermächtigung der Bundesregierung ohne Zustimmung Bundesrat!

Das Kühnste sind jedoch die für § 36 des Infektionsschutzgesetzes angedachten Absätze 8 bis 13: Sie ermächtigen die Bundesregierung, alle Maßnahmen im Wege der Rechtsverordnung zu verhängen, und zwar ausdrücklich ohne Zustimmung des Bundesrats.

Eine Rechtsverordnung ist kein Gesetz.

Eine parlamentarische Debatte über Für und Wider, Sinn oder Unsinn wird damit von vorneherein ausgeschlossen. Die Entscheidung fällt fernab von Parlament und Öffentlichkeit in aller Stille am Kabinettstisch. Das ist praktisch für die Kanzlerin und den Gesundheitsminister. Es ist aber nicht gut!

Im Parlament kein Protest und Gegenmeinung mehr möglich?

Protest und Gegenmeinung haben in einer Demokratie fest zugewiesene Plätze. Diese werden mit der vorgesehenen Methode abgeriegelt. Protest und Gegenmeinung werden aus den Parlamenten hinausgeworfen und auf die Straße verbannt. Allerdings dürfen sie sich auch dort nicht artikulieren, denn etwaige Versammlungen von Protestierenden und öffentliche Kundgebungen der Gegenmeinung dürfen nach § 28a Absatz 1 kurzerhand untersagt werden.

Schließlich geht von Kundgebungen und Versammlungen ein Infektionsrisiko aus, weil dazu zwangsläufig Menschen zusammenkommen müssen. Was eine Demokratie ausmacht, ist die öffentliche Debatte. Diese kann nach Inkrafttreten dieses „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung“ dann höchstens noch im Internet stattfinden.

Massive Einschränkung von Grundrechten durch Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage…

Artig erwähnt der Entwurf des „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung“ auf Seite 17, dass mit dem Gesetz eine Einschränkung von Grundrechten einhergeht. Erwähnt sind dort die Freiheit der Person (Art. 2 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 GG) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).

Freie Meinungsäußerung nur noch scheinbar gewährleistet – Drittes Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage

Diese Aufzählung enthält allerdings nicht alle Grundrechtseinschränkungen, die „zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite“ erdacht sind. Die freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG) ist nur noch scheinbar gewährleistet. Die üblichen Formen der Artikulation sind dahin, wenn es schlicht keine Öffentlichkeit mehr gibt, der man seine Meinung vortragen könnte.

Zensur im Internet erfolgt privatrechtlich

Natürlich gibt es noch das anonyme Publikum des Internets. Allerdings muss man in der Ausdrucksweise vorsichtig sein. Es zensiert zwar nicht der Staat, sondern die Anbieter der sozialen Medien nehmen die Zensur gewissermaßen privatrechtlich vor. Sie entscheiden, welche Meinung an die Öffentlichkeit gelangen darf und welche nicht. Sie löschen Beiträge nach eigenem Ermessen, und wer ihrer Auffassung nach gegen irgendwelche Kodizes verstößt, wird gesperrt.

Die Öffentlichkeit zuverlässig erreichen kann man nicht, wenn man nur auf das Internet angewiesen ist. Übrigens gibt es auch Menschen, die zwar eine Meinung, aber keinen Internetzugang haben.

Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite schränkt weitere Grundrechte des GG ein

Unerwähnt ist auf Seite 17 auch das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG). Im Grunde kann die Bundesregierung künftig, wenn es ihr beliebt, jeden Betrieb dichtmachen. Das wird in § 28a Absatz 1 Ziffer 9 stehen.

Die Freiheit der Religionsausübung soll durch § 28a Absatz 1 Ziffer 11 eingeschränkt werden, indem man Zusammenkünfte zu Gottesdiensten und anderen weltanschaulichen Ritualen untersagt. Art. 4 GG haben die Verfasser des Gesetzes in ihrer Aufzählung offenbar gleichfalls übersehen.

Alle Vorgaben nur durch das Robert-Koch-Institut (RKI)

Das Schönste an allem ist jedoch, dass alles, was geschieht, nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts geschehen soll. Es wird nahezu in jedem Absatz des „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemische nach Lage“ erwähnt.

Allein vom Namen „Robert Koch“ geht der angenehm kühle Pfefferminzgeruch objektiver, unabhängiger, unbestechlicher und unpolitischer Naturwissenschaft aus.

Robert-Koch-Institut (RKI) ist eine Bundesoberbehörde des Bundesministeriums für Gesundheit

Die meisten Menschen glauben deshalb, dass rundweg alles, was das RKI äußert, in eherne naturwissenschaftliche Objektivität gegossen sei. Das RKI ist aber nichts anderes als eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (§ 2 des Gesetzes über Nachfolgeeinrichtungen des Bundesgesundheitsamtes).

Freiheit von Wissenschaft und Lehre Artikel 5 GG zählt nicht mehr – Drittes Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

So unabhängig, wie gedacht, ist das RKI keineswegs, und es ist auch nicht die objektiv-wissenschaftliche Referenz schlechthin, für die es immer gehalten wird. Dies ist ein erheblicher Mangel dieses „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung“: Es zählt stets nur das RKI, aber keine anderen Stimmen aus der Wissenschaft. Diese gelten einfach – nichts. Soviel zur Freiheit von Wissenschaft und Lehre (ebenfalls Art. 5 GG).

Ermächtigung durch Drittes Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Bei diesem „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ geht es angeblich um Gesundheitsschutz. Das klingt weise, gut und edel. Gesund ist der Mensch, wenn er nicht durch die Symptome einer Krankheit in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt wird. Dies ist – zugegeben – ein eigener Definitionsversuch.

„Infiziert“ ist gleich „erkrankt“

Die allermeisten Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, weisen überhaupt keine Krankheitssymptome auf. In der Sprachregelung der Bundesregierung sind sie „symptomfrei Erkrankte“. „Infiziert“ wird gleichgesetzt mit „erkrankt“. Ob diese Gleichsetzung der Denklogik standhält, darf bezweifelt werden.

Drittes Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage ersetzt „schwerwiegend“ durch „bedrohlich“

An vielen Stellen sieht der Gesetzentwurf vor, dass das Wort „schwerwiegend“ durch das Wort „bedrohlich“ ersetzt werden soll. Bislang sind 11.372 Menschen in Deutschland verstorben (von etwa 83 Millionen Einwohnern), die mit dem SARS-CoV-2-Virus in Berührung gekommen sind. Ob dies eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“ ist, darf schon für sich genommen bezweifelt werden, denn so viele Menschen sterben auch Jahr für Jahr am Influenza-Virus.

Vorlage Drittes Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite soll Bundesregierung ermächtigen

Bislang hat sich aber noch keine Bundesregierung getraut, eine Gesetzesvorlage einzubringen, in der sie sich ermächtigen lassen will, wegen des Influenza-Virus das gesamte öffentliche Leben herunterzufahren und sogar darüber zu bestimmen, dass man in der eigenen Wohnung keine Gäste mehr empfangen oder mit seinen Freunden keine Flasche Bier mehr im Stadtpark trinken darf.

Art. 1 GG ist für sich genommen kein Grundrecht, sondern enthält die jederzeit und in jeder Situation gültige ethische Grundentscheidung des Staates Bundesrepublik Deutschland: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Daran muss sich alles messen lassen, vor allem das Handeln des Staates mitsamt seiner Gesetzgebung.

Die Würde des Menschen erschöpft sich aber keineswegs in seiner bloßen Existenz, sondern drückt sich in einer Summe verschiedenster Freiheiten aus, die man ihm belassen muss, wenn man seine Würde nicht antasten will.

Bringt die Bundesregierung ihrer Gesetzesvorlage durch, kann sie alles unterbinden, was das Menschsein ausmacht: Selbstbestimmte Zukunftspläne, Freundschaften, Beziehungen zu anderen Menschen.

Die Menschenwürde wird auf eine einzige Freiheit reduziert, nämlich auf die Freiheit von einem Virus, und dies nicht einmal, weil die Repräsentanten des Volkes es für richtig halten, sondern allein weil es eine Bundeskanzlerin und ihre Minister es wollen. Vor dem Bundesverfassungsgericht kann dies unmöglich bestehen.

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