2G-Regel an Hochschulen in Baden-Württemberg bleibt bestehen
Es kam in Baden-Württemberg, wie es kommen musste. Am 20. Dezember 2021 berichtete die das juristische Geschehen dankenswert aufmerksam verfolgende Legal Tribune über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof Mannheim zur 2G-Regel an Hochschulen in Baden-Württemberg:
Baden-Württemberg: 2G bleibt – Ungeimpfte werden digital bedient
Am Samstag hatte das Wissenschaftsministerium angekündigt, noch am Wochenende die vom VGH geforderten Präzisierungen in der Corona-Verordnung vorzunehmen. Gleichzeitig hatte es festgestellt: „In der Sache bleibt die Regelung unverändert: Es bleibt bei 2G für den Präsenzbetrieb an den Hochschulen in der Alarmstufe II.“ Diese Änderungen finden sich nun in der ab dem 20. Dezember geltenden Fassung der Corona-Verordnung des Wissenschaftsministeriums für den Studienbetrieb. Die bisherige, vom Gericht als zu unbestimmt bewertete Regelung, die nur vorsah, dass die Hochschulen „die Studierbarkeit der Studiengänge sicherzustellen“ haben, wurde nun geändert. Das Ministerium hat dabei die Entscheidung des Gerichts umgesetzt. Die geänderte Regelung sieht nun Alternativen vor, die Hochschulen bei Pflicht- oder Wahlpflichtveranstaltungen für nicht-immunisierte Studierende anbieten müssen. Hochschulen sind verpflichtet, Studierenden „einen zeitgleichen digitalen Zugang zu diesen Veranstaltungen“, „eine digitale Aufzeichnung unverzüglich im Anschluss an die jeweilige Veranstaltung“, „schriftliche Unterlagen, die den Lehrstoff beinhalten, vor der jeweiligen Veranstaltung oder unverzüglich im Anschluss an die jeweilige Veranstaltung“ oder gleichwertige Angebote zur Verfügung zu stellen.
Quelle: lto.de 20.12.2021, „Nach Beschluß des VGH – Baden-Württemberg hält an 2G-Regel für Hochschulen fest“
Alle Jahre wieder: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Es ereignet sich im Winter 2021/2022 offenbar exakt dasselbe wie im Winter 2020/2021: In der Weihnachtszeit wird das Land heruntergefahren, und ein nicht ganz kleiner Teil der in diesem Land Wohnenden (wahrscheinlich eine deutliche Mehrheit) regt sich darüber auf. Die Presse tröstet sie, indem sie täglich von sensationellen juristischen Erfolgen berichtet. Überall lauten die Schlagzeilen ungefähr:
Hurra! Gericht kippt 2G-Regel!
Die von ihren Sorgen bedrückten Bürger atmen auf: „Endlich! Der Rechtsstaat richtet es schon! Das Gute siegt am Ende doch immer!“ Das ist ein katastrophaler Irrtum. Die Entscheidungen aus Lüneburg und Mannheim eignen sich hervorragend, um an ihren Beispielen zu verdeutlichen, wie die Sache wirklich funktioniert:
Die EDEKA-Variante: Kleine Korrekturen – und weiter geht‘s.
Richter sind unabhängig. Sie entscheiden nach Recht und Gewissen. Dennoch werden sie vom Staat bezahlt, und mit seinem Arbeitgeber, der in diesem Fall Dienstherr heißt, legt sich niemand gern an. Im unverstellten Jargon der Bundeswehr droht sonst EDEKA: Ende der Karriere. Dies führt zur reflexartigen Neigung, staatliche Regelungen möglichst so zu lassen, wie sie sind. Die Judikative in Baden-Württemberg hat deshalb im Grunde nur ein wenig Korrekturbedarf angemeldet, den die Exekutive gern und prompt geliefert hat. Ein sensationeller Prozesserfolg war dies entgegen der aufgeschäumten Presseberichterstattung nicht: Nach drei Tagen im illusionären Siegesrausch müssen Ungeimpfte weiterhin draußen bleiben. Die Aufführung des Rechtsstaats beeindruckte das Publikum trotzdem.
Die Erlkönig-Variante.
Nach Goethe sprach der Erlkönig zum feinen Knaben, der nicht mit ihm gehen wollte: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ So endete die Sache in Lüneburg. Die Entscheidung zum Handel gefiel der Landesregierung in Hannover natürlich gar nicht, und dem 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts war sie darüber ausgesprochen gram. Deshalb installierte sie an demselben Gericht flugs einen 14. Senat mit hochmotivierten neuen Richtern, der nun diese lästigen Corona-Sachen übernimmt, damit sich solche Dinge nicht wiederholen können. Die offizielle Begründung klingt fürsorglich: „zur Entlastung.“ Dies berichtete am 22. Dezember 2021 das Magazin „Rundblick Niedersachsen“.
Den Älteren unter uns fällt hier unwillkürlich die Serie „Der Schattenmann“ ein, über die sich das brave Fernsehpublikum schon vor fünfundzwanzig Jahren entsetzt gezeigt hatte. Dort sprach der finstere Protagonist: „Warum leckt sich der Hund die Eier? Weil er’s kann!“ Diese Denkweise liegt auch der fürsorglichen Maßnahme der niedersächsischen Landesregierung zugrunde.
Neu: Die präventive Variante
Jeder Richter hütet sich normalerweise, seine persönlichen Ansichten mitzuteilen. Er könnte damit als befangen wahrgenommen und abgelehnt werden. Am Bundesverfassungsgericht ist man in dieser Hinsicht erfrischend unbekümmerter. Es hat nämlich für das Betreten des Gerichtsgebäudes eine 2G-plus-plus-Regelung getroffen: Geimpft oder genesen zuzüglich aktuellem PCR-Test. Wer dies nicht vorweisen kann, bleibt draußen, egal, ob er als Kläger oder als Rechtsanwalt dort einen Termin hat oder nur interessierte Öffentlichkeit ist.
DER SPIEGEL hat am 11. Dezember 2021 richtig erkannt, dass beim Bundesverfassungsgericht die strengsten Corona-Regeln Deutschlands gelten (Dietmar Hipp, Die strengsten Coronaregeln der Republik). Diese Erschwerungen der Rechtsverfolgung hält das Gericht offenbar für rechtsstaatskonform. Dies kann man aus guten Gründen anders sehen, aber der Satz aus dem Schattenmann gilt auch hier: Es gibt in der deutschen Verfassungsordnung niemand, der das Bundesverfassungsgericht dafür zurechtweisen könnte.
Dies führt zur Frage aller Fragen, was eigentlich los ist im Land, und in ihr schwingt ein wenig bange Weltuntergangsstimmung mit. Auch auf sie liefert ein alter Film die Antwort. Oberst Redl erzählt von nichts weniger als von jenem Weltuntergang, der sich vor 1914 allmählich abzeichnete. Dort erkennt der Protagonist: Der Kaiserwalzer ist ausgetanzt. Jetzt kommt der Krieg.
Titelbild: Adobe Stock
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