Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen – Keine Ausweglosigkeit

Ab dem 15. März 2021 gilt die Impfpflicht für die im Gesundheitswesen Beschäftigten. Angeordnet wird dies durch § 20a Infektionsschutzgesetz. Wenn man die Vorschrift liest, könnte man auf den ersten Blick meinen, dies sei das völlige Aus für Ungeimpfte. Dies ist aber keineswegs so.

Achtung: Stichtag! – Impfpflicht im Gesundheitswesen

Der 15. März 2022 ist ein Stichtag. Bis dahin muss jeder Arbeitgeber auf dem Gebiet des Gesundheitswesens seine Mitarbeiter nach den Impfstatus befragt und deren Antworten dem Gesundheitsamt gemeldet haben. Tut er dies nicht oder verspätet (erst nach dem Stichtag), muss er mit einem Bußgeld rechnen, § 73 Abs. 1a Nr. 7e Infektionsschutzgesetz.

In praktischer Hinsicht wird sich der Arbeitgeber dabei das Impfbuch oder eine entsprechende Impfbescheinigung vorzeigen lassen dürfen. Dies ist ein sehr weitgehender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, das etwa Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft verbietet; hier wird die Frage des Arbeitgebers aber zulässig sein. Schließlich muss er sich gegen den Vorwurf des Gesundheitsamts absichern, er hätte den jeweiligen Impfstatus nicht sorgfältig genug aufgeklärt.

Ausnahme: Die Impfunfähigen

Mitteilen muss der Arbeitgeber jedoch lediglich die ungeimpften Personen. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden kann, legt dem Arbeitgeber eine ärztliche Impfunfähigkeitsbescheinigung vor. Damit muss er nicht gemeldet werden. Lediglich bei Zweifeln des Arbeitgebers an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit des Nachweises kann der Arbeitgeber eine Meldung vornehmen. Dies gilt übrigens auch für Impfnachweise.

Falsches Gerücht: Kündigungspflicht

Falsch ist das Gerücht, wer am Stichtag nicht geimpft sei, müsse mit seiner sofortigen Kündigung rechnen. Eine Kündigungspflicht trifft den Arbeitgeber nicht, nur eine Meldepflicht. Wohl aber darf der Arbeitgeber ab dem Stichtag keine neuen Arbeitsverhältnisse mit Ungeimpften mehr eingehen. Tut er es dennoch, riskiert er ein Bußgeld.

Falsches Gerücht: Generelles Arbeitsverbot

Ebenso falsch ist das Gerücht, ungeimpfte Arbeitnehmer dürften ab dem 15. März 2022 kraft Gesetzes nicht mehr zur Arbeit kommen. Wie es weitergeht, entscheidet allein das Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt kann (so der Wortlaut des § 20a Abs. 5 Satz 1 Infektionsschutzgesetz) gegenüber dem Ungeimpften Arbeitnehmer anordnen, dass er die Betriebsstätte nicht mehr betreten darf. Das Gesundheitsamt muss dies aber nicht anordnen. Es ist also in das Ermessen des Gesundheitsamtes gestellt, wie es weitergeht.

Im Einzelfall: Abwägungssache

Das Gesundheitsamt muss das Ermessen richtig ausüben. Dies bedeutet, dass es in jedem Einzelfall abwägen muss, ob die Anordnung eines Betretungsverbotes im Hinblick auf den Infektionsschutz wirklich zielführend ist, oder ob ein solches Arbeitshindernis für das Gesundheitswesen überwiegend nachteilige Folgen hätte: Immerhin könnte ein faktisches Arbeitsverbot für ungeimpftes Personal (darauf läuft es hinaus) in einer Landarztpraxis, einer Klinik oder im Rettungsdienst in einer medizinisch schlecht versorgten Region zu einer derartigen Unterbesetzung führen, dass die Patienten nicht mehr ausreichend versorgt werden können.

Rechtsschutz – Impfpflicht im Gesundheitswesen

Gegen die Anordnung des Gesundheitsamtes kann vor den Verwaltungsgerichten im Wege der Klage und der einstweiligen Anordnung vorgegangen werden. Mit der einstweiligen Anordnung ist der Rechtsschutz sogar sehr schnell und effektiv erreichbar.

Klagen (oder einen Antrag auf einstweilige Anordnung stellen) muss der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann jedoch den Arbeitnehmer bei der Prozessführung unterstützen, indem er die Auswirkungen auf den Betrieb bestätigt: Ein ungeimpfter Landarzt in einer strukturschwachen Region kann seine Patienten nicht mehr versorgen, und ohne seine ungeimpfte Arzthelferin kann er seine Praxis ebenfalls nicht weiterführen. Schon wenige ungeimpfte Krankenpfleger und Krankenschwestern genügen in einem kleinen Krankenhaus, dass es seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Wenn ungeimpfte Sanitäter oder Rettungsassistenten ausfallen, kann der rund um die Uhr organisierte Schichtbetrieb des Rettungsdienstes nicht mehr gewährleistet werden.

Wenn das Gesundheitsamt bei seiner Abwägung solche Gesichtspunkte übersieht, ist die Ermessensausübung fehlerhaft und seine Entscheidung damit rechtswidrig. Im Einzelfall wird es jedoch auf die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ankommen, denn wirklichen Aufschluss über die Unternehmensorganisation und die voraussichtlichen Folgen kann nur der Arbeitgeber bieten.

Kündigungsmöglichkeiten

Als Grund für eine personenbezogene Kündigung werden die Arbeitsgerichte das Betretungsverbot durch das Gesundheitsamt voraussichtlich gelten lassen. Mit einer vorsorglichen Kündigung in der bloßen Erwartung eines Betretungsverbotes wird der Arbeitgeber jedoch scheitern. Der Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht wird aber nicht die richtige Gelegenheit sein, die oben aufgezeigte Argumentation anzubringen, dass der Arbeitnehmer gewissermaßen eine tragende Säule in der Betriebsorganisation ist. Diese Gesichtspunkte sind nur im Prozess um das Betretungsverbot vor dem Verwaltungsgericht von Bedeutung, aber nicht vor dem Arbeitsgericht.

Falsche Schritte

Immer wieder ziehen mutlos gewordene Beschäftigte in Betracht, einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber zu schließen oder gar selbst ihr Arbeitsverhältnis zu kündigen, weil es doch scheinbar ausweglos ist, ungeimpft zu bleiben und dennoch weiterzuarbeiten.

Dies sind aus zwei Gründen aufgrund der Impfplicht im Gesundheitswesen nicht die richtigen Überlegungen:

  • Wer einen Aufhebungsvertrag abschließt oder sein Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, bekommt während der Sperrfrist kein Arbeitslosengeld, da er die gewissermaßen den Versicherungsfall bei der Arbeitslosenversicherung selbst schuldhaft herbeigeführt hat. Unter diesem Gesichtspunkt ist es besser, die Kündigung des Arbeitgebers abzuwarten.
  • Einen neuen Arbeitsplatz werden ungeimpfte Fachkräfte des Gesundheitswesens voraussichtlich auch nicht ohne Weiteres finden können: Zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses muss der Impfschutz zwingend nachgewiesen sein, sonst wird kein vernünftiger Arbeitgeber zur Einstellung bereit sein. Draußen ist draußen: Die Frage des Impfschutzes wird dann zur Frage, ob der erlernte Beruf überhaupt noch ausübbar ist.

Vor diesem Hintergrund ist es besser, die Entscheidung des Gesundheitsamtes abzuwarten, vorher mit dem Arbeitgeber zu sprechen und sich dessen Hilfe für einen Prozess vor dem Verwaltungsgericht zu versichern.

Fazit

Die neue gesetzliche Norm bedeutet für ungeimpfte Beschäftigte im Gesundheitswesen keineswegs das Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses. Dazu gibt es zu viele Auswege. Man darf annehmen, dass dem Gesetzgeber diese Auswege nicht versehentlich unterlaufen sind, sondern er sie ganz bewusst ermöglicht. Er weiß, dass in den Pflegeberufen nur etwa 70 % geimpft sind. Er weiß, dass Pflegepersonal so knapp ist, dass es sich keine Praxis, kein Klinikbetrieb und kein Rettungsdienst leisten kann, auf die anderen 30 % zu verzichten. Immerhin wird seit 2017 im Ausland aktiv um Pflegekräfte geworden. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass die Gesundheitsämter sehr behutsam vorgehen werden. Eher scheint das Gesetz auf eindrucksvolle Medienwirksamkeit zugeschnitten zu sein, um die Beschäftigten im Gesundheitswesen zur Impfung zu drängen, als unterm Strich sehr viele Arbeitsplätze wackeln könnten.

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